Griechenland: Urlaub im Krisengebiet - ein Bericht vom RTL Journalisten Andreas Langheim.

Zwar ist dieser Bericht schon vor einigen Jahren geschrieben worden, hat aber mehr Gültigkeit denn je. Ich veröffentliche ihn hier, da ich immer wieder gefragt werde, und - wie macht sich die Krise auf Samos bemerkbar? Der Gast bekommt übrigens nichts oder kaum etwas zu spüren. Gastfreundlichkeit wird hier groß geschrieben und die Herzlichkeit der Menschen auf Samos geht tief und berührt sehr!  


21.06.11 18:26


Die griechische Gastronomie leidet sehr unter den Steuererhöhungen, weil die Preise mit den Reiseveranstaltern schon im vergangenen Jahr ausgehandelt wurden.

"Wir hatten mit dem Schlimmsten gerechnet"

Andreas Langheim vom RTL Nachtjournal bereist seit mehr als 20 Jahren regelmäßig Griechenland und ist ein ausgesprochener Kenner der Inseln Samos, Ikaria und Fourni im ostägäischen Meer vor der türkischen Küste. Von dort - soeben aus seinem Urlaub zurückgekehrt - berichtet er, wie sich die dramatische Finanzsituation Griechenlands und die laufenden Sparbemühungen der Regierung auf den Alltag der Menschen auch fern von Athen auswirken, wie die Euro-Krise Wein- und Olivenbauern, heimische Hotel- und Pensionsbesitzer, Taxifahrer und Gastronomen trifft:


Natürlich hatten wir mit dem Schlimmsten gerechnet: Streikende Fluglotsen, Verzögerungen bei den Flugabfertigungen bis hin zu Totalausfällen. Nichts von alledem trat ein. Selbst die Koffer hatten wir schneller auf dem Band, als man es in Düsseldorf oder Frankfurt gewohnt ist. Die Taxifahrt zum ca. 35 km vom Airport entfernten Urlaubsort ist im Vergleich zum Vorjahr mit 35 Euro nur um ein paar Euro teurer geworden. Auf den ersten Blick also touristisches 'business as usual'. Doch auf der Fahrt zur Pension fielen uns natürlich sofort die an den Tankstellen enorm gestiegenen Spritpreise auf. Superbenzin fast 1,80 Euro - das würde deutsche Autofahrer zum Benzinboykott treiben.


Unser Ferienort, ein idyllisches ehemaliges Fischerdorf an der grünen Nordküste von Samos, wirkte wie eh und je: leicht besohlte Badehungrige in den Gässchen, gut besuchte Restaurants und Cafés, und wie immer ausgesprochen herzlich grüßende Einheimische, deren Lächeln nicht aufgesetzt wirkt und dennoch ahnen lässt, dass es mit der früher so unmittelbar spürenden Leichtigkeit des Seins vorbei ist. So sagt denn auch schnell nach dem ersten Begrüßungstrunk in der kleinen Pension direkt am Meer die sehr gut deutsch sprechende Vermieterin: "Ich habe nicht viel Zeit, ich bin ja so faul, ich muss mich noch um andere Gäste kümmern, wir reden später, ihr wisst ja, wie faul wir Griechen sind..." Das war bitter, und die Ironie unserer Gastgeberin, die ich seit nunmehr 20 Jahren kenne, sie war ihre höfliche Art zu umschreiben, dass sie die ganze Situation des Landes zum Kotzen findet.


Feliza ist Mitte 40, betreibt eine wunderschön gelegene Pension direkt an einer Badebucht. Sie vermietet acht Zimmer, zwei Studios und arbeitet seit Jahren mit einer deutschen und einer österreichischen Reiseagentur zusammen. Sie erzählt uns, dass Steuern und Abgaben für Pensionen und Hotels deutlich angehoben wurden, da aber die Preise mit den Reiseveranstaltern schon im vergangenen Jahr ausgehandelt wurden, sei es unmöglich, diese Mehrausgaben an die Touristen weiterzugeben. 


Fazit: Sie schuftet von morgens Sechs Uhr an (damit die Wanderer schon früh ein leckeres Frühstück erhalten) bis abends 21, manchmal auch 22 Uhr (wenn die letzten Heimkehrer das Bett aufsuchen). Und das jeden Tag, denn: Wer vom Tourismus lebt, der kennt keinen freien Samstag, keinen freien Sonntag, nicht mal einen freien Vor- oder Nachmittag. Nur zwischen 14 und 18 Uhr ist Gelegenheit, in der sogenannten "Messi Meri" (Tagesmitte) ein wenig auszuruhen. 11-14-Stunden-Tage in der Saison, und zwar täglich, das ist Normalität. 


Verdienst: Ich habe nie direkt danach gefragt, aber Feliza sagte mir eines Abends: "Wir müssen zufrieden sein, dass wir Gäste haben, dass wir überhaupt Arbeit haben. Auf dem Festland sind viele, viele arbeitslos. Und das Leben, es wird immer teurer. Strom, Benzin, Lebensmittel, alles wird immer nur teurer, teurer, teurer. Wer keinen Garten hat und alles kaufen muss, der ist arm dran..." Ich weiß, dass Feliza früher in den harten Wintermonaten arbeiten ging, in einer Boutique als Verkäuferin, ganz offensichtlich weil die Pension einfach nicht genügend Gewinn fürs ganze Jahr abgeworfen hat.

Nachdem die Alkoholsteuer auf 120 Prozent erhöht wurde kaufen die meisten Griechen nicht mehr bei den heimischen Ouzo-Herstellern, sondern im Ausland.

Die Konjunktur ist abgewürgt

Beim leckeren Wein in der Abendsonne von Samos frage ich sie ganz offen: "Wie siehst Du die Situation in Deinem Land?" Sie antwortet ohne nachzudenken, aber nur deshalb, weil sie bereits oft genug angesichts der täglichen Schockmeldungen aus Athen darüber nachgedacht hat: "Es ist eine Katastrophe. Unsere Leute verdienen immer weniger, müssen aber immer mehr bezahlen. Wir denken nicht über die Zukunft nach, weil wir keine Zukunft haben. Griechenland ist kaputt, die Politiker denken nur an sich, scheißegal, wer regiert, was sollen wir tun? Wir können nichts tun, außer arbeiten..."


Am nächsten Morgen fahre ich zu meinem alten Freund Alekkos. Er hat die Ouzofabrik von seiner Mutter übernommen, wollte im vergangenen Jahr das 100-jährige Firmenjubiläum seines mittelständischen Betriebes feiern, doch dann kam die "Krise", an Feiern war da nicht zu denken. Alekkos zeigt mir eine aktuelle Steuertabelle: "Schau, Andreas, wie hoch jetzt Alkohol in Griechenland besteuert wird. Die Regierung hat in drei Schritten die Alkoholsteuer um 120 Prozent erhöht. Wir liegen jetzt im EU-Vergleich ganz oben bei den skandinavischen Ländern. Mein Ouzo kostet jetzt hier mehr als bei Euch in Deutschland. Und bei all unseren Nachbarländern liegt die Alkoholsteuer weit unten. 


Die Folge ist doch logisch: Einheimische Ouzo-Hersteller verkaufen weniger, die Griechen trinken weniger und an den Grenzen holen sie sich alkoholische Getränke aus dem billigeren Ausland. Der Staat nimmt weniger Steuern ein als vor den Sparbeschlüssen, und wenn die Griechen dann auch noch weniger ausgehen, essen und trinken, dann gehen auch viele Bars, Cafés und Restaurants kaputt. Das heißt noch weniger Steuern für den Staat, wo soll das hinführen? Die Konjunktur ist komplett kaputt." Ich kaufe bei ihm 10 Liter besten Insel-Ouzo, den ich früher noch in zwei Fünf-Liter-Flaschen als 'Handgepäck' transportieren durfte, und Alekkos scherzt: "Früher hast Du 20 Liter für Dich und Deine Freunde gekauft, heute nur noch 10, siehst Du, auch Du sparst wie alle, wie soll es da mit uns aufwärts gehen?"


Bericht: Andreas Langheim

Bild: Heli / Andreas Langheim beim Diskutieren im ältesten Kafenion von Agios Konstantinos